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Das kulinarisch Beste Thüringens sind für mich die Klöße

Aktualisiert: 1. Jan. 2021

Wenn ich kulinarisch an das Bundesland in der Mitte Deutschland denke, fallen mir 2 Dinge ein: Thüringer Rostbratwürste und Thüringer Klöße. Bratwürste gibt es ja in den verschiedensten Landesteilen der Republik in diversen Ausführungen, und überall sind sie anders lecker. Aber bei den Klößen -so meine Empfindung- können die anderen Regionen nicht mit Thüringer Klößen mithalten. Ich habe schon mehrfach versucht, die Thüringer Klöße selbst zu kochen, war aber vom Resultat nicht 100%ig überzeugt. Nun hatte ich das große Glück, in meinem Wohnort Speyer, dem Tor zur Pfalz, auf ein super sympathisches Pärchen (Petra und Mitsch) zu treffen, die ihrerseits Ur-Thüringer sind, die handwerkliche Zubereitung der echten Thüringer Klöße aus dem FF beherrschen und dies auch mit viel Hingabe zelebrieren. Und ja, es kam der Tag, ich wurde eingeladen, mit ihnen gemeinsam einen sonntäglichen Kloßkoch-Spätnachmittag zu bestreiten. Dies war ein Erlebnis, von dem ich noch lange zehren werde.


Und so wird's gemacht:

Um am Ende 9 ziemlich stattliche Klöße zu erhalten, muss man 3 kg mehlig kochende Kartoffeln herbeitragen. 2 kg davon werden roh verarbeitet, 1kg gekocht. Man braucht dann nur noch etwas Salz, Kartoffelstärke, Croutons und Leidenschaft.


Ein Drittel der Kartoffel (geschält und gewürfelt) wird in kräftigem Salzwasser weich gekocht. Parallel dazu schneidet und röstet man die Croutons in Butterschmalz oder Butter. Wir haben hierfür ein 100%iges Roggenbrot von den Brotpuristen Speyer genommen.

Zusätzlich wird ein großer Topf mit Salzwasser aufgestellt und zum Kochen gebracht. In diesen kommen später die geformten Knödel, aber das Wasser darf nicht mehr kochen, sondern sollte kurz unterhalb des Siedepunktes sein.

2/3 der Kartoffeln werden sehr fein gerieben. EM tat dies mit einem alten ostdeutschen Küchengeräteklassiker, dem RG 28 (Zur Information: RG steht für Rührgerät).

Dann kommt der zweite Akt. Die geriebenen Kartoffeln müssen mega-stark ausgepresst werden, so dass man eine krümelige, furztrockene Kartoffelmasse erhält. Der Thüringer sagt dazu "Schab". Um diese Trockenheit zu erreichen, hat Petra eine spezielle Presse ihrer Großmutter mit in die Neuzeit hinüber gerettet. Die geriebenen Kartoffeln kommen in einen extrem festen, textilen Presssack, werden mit diesem in die Presse gegeben und mit Hilfe einer Schraubzwinge ziemlich brutal ausgewrungen. In der Pfalz kennt man das Verfahren wohl bestens vom Wein.

Akt 3: Jetzt gilt es, schnell zu sein. Damit die rohen, gepressten Kartoffeln nicht oxdieren und sich grau verfärben, muss alles ziemlich flott gehen. Aber Mitsch und Petra sind eingespielte Experten, und ich stehe mit Begeisterung daneben. Zunächst stampft man die gekochten Kartoffeln mit der Hälfte des Kochwassers (der Rest wird abgeschüttet).

Jetzt gibt man den Tresterkuchen in eine große Schüssel und zerpflückt ihn flächig mit der Hand.


Darauf kommen noch etwas Salz und 2-3 EL Kartoffelstärke (aus der Packung oder aber man nutzt die Stärke, die sich am Boden der ausgepressten Kartoffelflüssigkeit abgelagert hat). Die gestampften, nochmals erhitzte Masse gekochter Kartoffeln drüber geben (das nennt sich brühen) und sofort gründlich und zügig unterrühren.

Anfänglich ist es so heiß, dass Petra den Kartoffelstampfer verwendet. Dann aber arbeitet sie eifrig mit feuchten Händen weiter, wobei sie diese immer wieder ins kalte Wasser taucht, damit sie der Hitze widerstehen. Ganz wichtig ist hier, sich einen Topf mit eiskaltem Wasser direkt daneben zu stellen. Die Kloßmasse wird mit voller Kraft durchgewalkt und am Schüsselboden lang gezogen, bis diese richtig schön geschmeidig in der Hand liegt. Hier ist wie bei nahezu allen alten Hausrezepten Gefühl gefragt.


Hat die Masse die perfekte Konsistenz erreicht, kann man die Klöße formen, d.h. abdrehen.

Dabei gibt man immer 3-4 Croutons in die Mitte und sorgt dafür, dass die Masse ringsherum gut verschlossen wird.

Nacheinander werden die geformten Klöße in das heiße, aber nicht kochende Salzwasser gegeben und am Schluss der Deckel aufgelegt.

Nun heißt es warten, bis sie an die Oberfläche steigen. Das dauert so ca. 20 min. In der Zwischenzeit kann man sich gut und gern an der Vorspeise gütlich tun oder am Küchenwein weiternippeln.

Mittels Schaumkelle hebt man die Klöße heraus, lässt sie kurz abtropfen und gibt sie auf die Teller. Zunächst ist einer pro Person völlig ausreichend. Dieser wird aufgebrochen und mit der Soße begossen.


Und dann gilt es nur noch zu genießen, natürlich mit Nachschlag....


Petra hatte ein köstliches Rindsgulasch mit selbst gesammelten und getrockneten Waldpilzen vorbereitet. Yammy, Leute! Vorab gab es Bärlauchbutter mit den ersten Blättern aus dem hiesigen Domgarten sowie einen frischen Gurkensalat. Eine 2011er Rotwein-Cuvee (Cabernet-Sauvignon) vom Weingut Adriane Moll, St. Martin, adelte diesen ehrlichen, handwerklich großartigen und delikaten Gaumenschmaus. Kann ein sonntäglicher Spätnachmittag schöner sein? Ich sage nein! Danke an Petra und Mitsch für diese wunderbare Erfahrung, den liebevoll gedeckten Tisch, die herzliche Bewirtung und vor allem - den Genuss!


Und wieder einmal bestätigte sich: es braucht für das kulinarische Glück nicht unbedingt Sterne. Gute Produkte, gediegenes Handwerk und eine Portion Leidenschaft tun es ebenso.

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